Schon lange träume ich davon, einmal nach Sankt Petersburg zu reisen. Wenn ich den katholischen Dom in der Bredgade in Kopenhagen besuche, liegt er nur einen Steinwurf von der russisch orthodoxen Kirche. Diese streckt ihre goldenen Zwiebeltürme in den dänischen Himmel.
Diese exotisch anmutende Kirche wurde gebaut, weil Minnie, die Tochter von Christian IX. (1818-1906), den russischen Zar Alexander heiratete. Sie wurde die Herrin des Winterpalastes, wie der Titel des historischen gut recherchierten Schmökers von Christopher W. Gartner ist.
Das Geschlecht der Glücksburger
Frederik VII aus dem Geschlecht Oldenburg hinterlies keinen Thronfolger. So kam Minnies Vater, Christian IX. aus dem Geschlecht Glückburg auf den dänischen Thron. Offenbar war seine Frau Louise Caroline eine sehr gute „Kupplerin“. Sie brachte ihre Kinder in fast allen europäischen Königshäusern und bedeutenden Fürstentümern untern. Später wurde Christian der Großvater Europas genannt. Ein genialer politischer Schachzug, vor allem in dieser Zeit voller Umbrüche.
Das verarmte Adelsgeschlecht der Glücksburger kommt auf den dänischen Thron
Minnie wuchs eher ärmlich auf. Es wird berichtet, dass ihre Mutter, Königin Louise Caroline, auch im Schloss Amalienburg immer noch selbst die Kleidung stopfte. Minnie heiratete den Bruder ihres Verlobten, den späteren Zar Alexander, nachdem ihr Verlobter verstorben war. Aus der Vernunftehe – Alexander war nicht so feingeistig wie sein älterer Bruder – wurde Liebe und aus der dänischen Prinzessin die Kaiserin von Russland. Darum befindet sich noch heute russische Kirche in der Bredgade (auf deutsch: breite Straße!). Sie liegt nur ein paar Schritte vom königlichen Palast Amalienborg im Herzen Kopenhagens.
Falls es dich interessiert: Minnies Schwester Alix heiratete den König von England. Ihr Bruder Frederik wurde König in Dänemark. Ihr Bruder Georg wurde nach einer Abstimmung König von Griechenland. Ihre Schwester Thyra heiratete in ein adeliges Geschlecht nach Hannover und ihr Bruder Waldemar ehelichte Marie von Orléans.
Die Herrin des Winterpalastes – ein gut recherchierter und opulenter historischer Schmöker
Die ersten Jahre im Winterpalast sind noch von rauschenden Festen, die einem Regency Roman alle Ehre machen würden, erfüllt. Minnie liebt die Farben, das pulsierende Leben der Oberschicht, die durchtanzten Nächte – ganz im Gegensatz zu ihrem Ehemann. Doch mit der Zeit wächst Minnie in ihr Leben und ihre Verantwortung rein. Die Unruhen in Russland, die Kluft zwischen arm und reich, Stadt und Land und der Wunsch nach Demokratie und Selbstbestimmung wachsen.
Russland steht wie viele europäische Nationen an einem Scheideweg. Aber die Reformen, die in diesem enormen Land notwendig wären, verzögern sich. Zu viele stemmen sich nach dem Tod von Minnies Mann gegen Reformen stemmen. Sie beraten Minis Sohn, Zar Nikolaus, schlecht. Damit wird der Revolution und Gewalt die Tür geöffnet.
Minnie steht eher auf der gemäßigten Seite. Sie liebt ihr Land und das Volk und engagiert sich sehr. Doch als ihr Sohn Niki die deutsche Prinzessin Alexandra heiratet und diese mehr und mehr dem Wanderprediger Rasputin verfällt, von dem sie sich die Heilung ihres Sohnes, eines Bluters, erhofft, spitzt sich die Lage zu …
Ich bin gern in die russische Geschichte eingetaucht, habe die Sprache genossen und die vielfältige Personengalerie. Alle, die gern historische Schmöker lesen, die gründlich recherchiert sind, sind hier gut bedient. Ein Roman, der mich in eine ferne Welt entführt hat und den ich gern empfehle.