Buchbesprechung: Die Welt so stille von Jessica Weber
Als ich durch Zufall las, dass Jessica Weber einen Roman über den deutsch-dänischen Krieg geschrieben hat, musste ich das Buch unbedingt lesen.
Diese Geschichte ist auch meine. Die Orte des Schlachtfeldes sind auch meine. Denn die ersten Jahre, als ich gerade nach Dänemark gezogen war, lebte ich auf der Düppeler Schanze, auf dem ehemaligen Schlachtfeld. Freunde stempelten mich sehr schnell als „dicke Berta“ wegen meiner Abstammung. So hieß die Kanone, mit der die Preußen und Österreicher die Dänen besiegt hatten. Ich nahm es mit Humor. Dick war ich nicht, also zielte dieser Kosename wohl eher darauf, dass ich als Deutsche die Dänen mit meinem Wesen überrannt und besiegt hatte. Zumindest bei meinem Mann war ich mir ziemlich sicher, dass das der Wahrheit entsprach.
Ich arbeitete damals in der Krankenhausseelsorge im Malteserkrankenhaus in Flensburg und stieß ich oft auf Menschen, für die dieser Krieg und die nachfolgende Grenzziehung immer noch schmerzlich war, fast ein Mienenfeld, in dem ich mich wie ein trampeliger und lustiger Elefant bewegte.
Jessica Webers Buch ist daher ein Muss für mich, und ja, ich habe den Roman gerne gelesen und konnte beim Lesen immer wieder die Ort vor mir sehen. Alsen, Hadersleben, Sonderburg oder sollte ich lieber sagen Dybbøl, Sønderborg, Haderslev …
Worum geht es in Die Welt so stille?
Es geht um Line, die mit ihren zehn Jahren buchstäblich in den Krieg gezogen wird, als sie sich – wütend auf ihre Mutter und neugierig wegen der feschen Soldaten – in einem Wagen versteckt, den die Soldaten mitnehmen.
Line ist ein verletztes Kind, zu viel gescholten und zu wenig geliebt, und macht sich Mut beim Singen des Abendliedes. Mit der Musik auf den Lippen besiegt sie jede Angst. Das braucht sie, als sie mitten im Nirgendwo von den preußischen Soldaten wegläuft und den Weg nach Hause finden muss.
Mads, ein Handwerker aus Haderslev, hat sich mit seinem Freund freiwillig als Soldat gemeldet. Er will eine Schuld sühnen, doch schon bald spürt er im gnadenlosen Gefecht, dass keine Schuld der Welt sich durch eine neue Schuld aus der Welt schaffen lässt.
Mads und Lines Wege kreuzen sich. Sie reichen sich die Hand in einer grausamen Zeit und wachsen an den Herausforderungen. Dieser Krieg veränderte nicht nur Grenzen, sondern auch Menschen, wie fast jeder Krieg. Zurück blieb der Wunsch in vielen Herzen: Wir wollen im Frieden leben, egal, welche Sprache wir sprechen.
Jessica Winter hat einen einfühlsamen Roman über die Grausamkeit des Krieges, den Mut des Menschseins geschrieben. Die historischen Details sind sorgfältig recherchiert, die Wendungen überraschend.
Ich habe mich in eine Zeit versetzt gefühlt, die lange ihre Arme bis in meinen Alltag ausgestreckt hat – und gespürt: Auch diese Niederlage hat die Dänen und Deutschen verändert.
Nach dem grauenvollen Abschlachten wuchs der Wunsch, wieder miteinander zu leben, egal unter welcher Flagge. Eine Botschaft, die heute fast wichtiger ist als vorher. Oder nicht?
Jessica Weber: Die Welt so stille
Historischer Roman
Acabus Verlag